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Pressemitteilung über die Geschäftstätigkeit im Jahr 2003

Datum: 02.03.2004

Kurzbeschreibung: 


1. Geschäftsentwicklung beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

Seit drei Jahren bewegen sich die Eingänge beim Verwaltungsgerichtshof auf einem Niveau von über 4.000 Eingängen mit einer Steigerung von 2002 auf 2003 um 15%. Dies gilt für den Asylbereich wie für die allgemeinen Verfahren. Der mit Blick auf das explosive Anwachsen der entsprechenden Verfahren in der 1. Instanz im Vorjahr (um fast 70 %) erwartete starke Anstieg der Rechtsmittel bei den Asylsachen ist im Wesentlichen ausgeblieben.

Aufgrund einer Steigerung der Erledigungen (um 20 %) hat sich der Bestand an anhängigen Verfahren erfreulicherweise reduziert (um über 10 %). Dies ging einher mit einer deutlichen Verkürzung der Verfahrenslaufzeiten (bei erstinstanzlichen Großverfahren um 2 Monate auf 8,7 Monate, bei Rechtsmitteln in Hauptsacheverfahren von 6,8 auf 6,7 Monaten in Allgemeinverfahren und von 3,2 auf 2,4 Monate im Asylverfahren; nur bei den schwieriger gewordenen Rechtsmittel in Eilverfahren gab es eine Erhöhung von 2,1 auf 2,8 Monate).

Diese erfreuliche Entwicklung beruht auf dem verstärkten Einsatz der Richterinnen und Richter des VGH, deren Zahl nicht etwa größer, sondern geringer geworden ist. Dass Recht im Interesse der Rechtssuchenden zügig gesprochen werden muss, wird bei anhaltend hohem Qualitätsstandard zunehmend erkannt. Allerdings muss hierzu bemerkt werden: Qualität in kurzer Zeit, hat seinen Preis. Dieser „Preis“ besteht hier in einer angemessenen Ausstattung mit richterlichem Personal. Bei einem weiteren Personalabbau können diese Standards nicht mehr gehalten werden.

Bemerkenswert beim VGH ist noch die im Vergleich mit anderen Bundesländern sehr hohe Berufungszulassungsquote. In Allgemeinverfahren betrug sie 21,3 %.

Von den Berufungen in Allgemeinverfahren waren über 30 % erfolgreich, von den Beschwerden in Allgemeinverfahren waren es etwa 10 %.

2. Geschäftsentwicklung bei den Verwaltungsgerichten des 1. Rechtszuges

Bei den 4 Verwaltungsgerichten im Land sind im Jahr 2003 fast genauso viel neue Verfahren anhängig geworden wie im Jahr zuvor. Damit hält sich hier ein Niveau an Verfahrenseingängen wie es zuletzt 1998 vorlag. 1998 standen aber den Verwaltungsgerichten des Landes gut 25 Richter mehr zur Verfügung als im Jahr 2003. Angesichts dieser Personalreduzierung ist es nur mit einem deutlich erhöhten Leistungsverhalten im Interesse der Rechtssuchenden zu erklären, dass die Erledigungen bei den Verwaltungsgerichten mit den Eingängen fast Schritt halten und gegenüber dem Vorjahr sogar um fast 15 % gesteigert werden konnten. Es ist in hohem Maße bemerkenswert, dass die durchschnittliche Laufzeit der Hauptsacheverfahren um gut 6 Wochen verkürzt wurde, nämlich nunmehr nur noch 8,2 Monate beträgt (2002: 9,8 Monate). In Asylsachen wurde die Laufzeit von 10,5 Monate auf 9,8 Monate verkürzt. Hierbei handelt es sich um Laufzeiten, die um gut die Hälfte unter dem Bundesdurchschnitt liegen. Nachdenklich muss stimmen, dass der Bestand an anhängigen Verfahren, der im Jahr 2001 noch bei 14.942 Verfahren lag, nunmehr auf dem Niveau von etwa 20.000 Verfahren liegt und schwerlich bei der deutlich reduzierten Personalausstattung abzubauen ist. Gerade bei den Verfahren in der 1. Instanz, die näher am Sachverhalt und am Bürger sind, gilt: Wer will, dass bei hohem Qualitätsstandard zügig Recht gesprochen wird, muss für eine ausreichende und angemessene Personalausstattung sorgen. Die jetzigen Standards können mit einem weiteren Personalabbau nicht gehalten werden.

3. Personalbestand

Die Verwaltungsrechtsprechung in Baden-Württemberg nimmt bundesweit einen Spitzenplatz ein. Recht wird hier fast doppelt so schnell gesprochen wie im Bundesdurchschnitt und dies mit dem geringsten Personal bundesweit (Verwaltungsrichter pro 100.000 Einwohner: 1,51; Bundesdurchschnitt: 1,90). Es gibt aus der jüngsten Vergangenheit zahlreiche Fälle, die zeigen, wie wichtig es ist, dass Verwaltungsrechtsschutz auf hohem Niveau und gleichzeitig in kurzer Zeit gewährt wird. Wenn diese Standards gehalten werden sollen, darf der Personalabbau in der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht weiter voranschreiten. Es ist mittlerweile ein Stand erreicht, der einen weiteren Personalabbau ohne Einbuße an Qualität oder Zügigkeit nicht mehr zulässt. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat in den vergangenen Jahren zugunsten der Haushaltskonsolidierung in beachtlichem Umfang Stellen abgebaut und zwar in größerem Maße, als dies dem Rückgang der Verfahren, insbesondere im Asylbereich entsprach (1998 waren insgesamt in der Verwaltungsgerichtsbarkeit noch 223 Richter tätig, im Jahr 2003 waren es nur noch 188 Richter, also ein Rückgang um über 15 %; Verfahren bei den Verwaltungsgerichten und beim VGH 1998: 35.708 und im Jahr 2003: 32.858, also nur ein Rückgang um 8 %).

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat nunmehr auch im Interesse der deutlich überdurchschnittlich belasteten Kollegen in der Arbeitsgerichtsbarkeit 5 Richterstellen und 5 Stellen des Unterstützungsbereichs an die Arbeitsgerichtsbarkeit abgegeben. Die Stellenreduzierungen in den letzten Jahren führten zu einem Abbau von 3 Kammern bei den Verwaltungsgerichten (im Jahr 2002) und zum Abbau eines Senats beim Verwaltungsgerichtshof (im letzten Jahr). Der von Landesregierung beschlossene Stellenabbau von 2,5 % der Stellen in den nächsten 5 Jahren führt zu weiteren Stellenreduzierungen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat bereitwillig ihren Beitrag im Rahmen der Haushaltskonsolidierung erbracht. Es ist allerdings zu warnen, dass Qualität und Zügigkeit der Rechtsprechung auf der Strecke bleiben, wenn weitere Stellenreduzierungen auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit zukommen sollten.

4. Sozialhilferechtliche Streitigkeiten ab 01.01.2005 bei den Sozialgerichten

Streitigkeiten um Sozialhilfe wurden bislang vor den Verwaltungsgerichten ausgetragen. Völlig überraschend und ohne die notwendige Anhörung wurde diese Zuständigkeit vom Bundesgesetzgeber auf die Sozialgerichtsbarkeit übertragen. Dabei hat man übersehen, dass die Richterbank bei den Sozialgerichten zur Entscheidung dieser Streitigkeiten nicht systemgerecht besetzt ist: Als Laienrichter wirken dort Beisitzer mit, die von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite benannt werden. Die Sozialhilfe ist aber nicht beitragsfinanziert, wie die sonstigen Leistungen, um die in der Sozialgerichtsbarkeit gestritten wird (etwa aus der Krankenversicherung oder der Altersversorgung), sie ist vielmehr steuerfinanziert. Die Laienrichter, die über die steuerfinanzierte Sozialhilfe zu entscheiden haben, sollten daher nicht von den Verbänden gestellt werden, sondern allgemein aus der Bevölkerung kommen, wie es bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit üblich ist.

5. Zusammenlegung der Fachgerichtsbarkeiten

Seit dem letzten Jahr wird ernsthaft erörtert, die Fachgerichtsbarkeiten (Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit, eventuell auch Finanzgerichtsbarkeit) zusammen zulegen, um Synergieffekte zu erzielen. Im Zusammenhang mit der Verlagerung der Sozialhilfe auf die Sozialgerichtsbarkeit prüft die Bundesregierung eine gesetzliche Neuregelung, wonach die Sozialgerichtsbarkeit durch besondere Spruchkörper der Verwaltungsgerichte und der Oberverwaltungsgerichte ausgeübt werden kann. Zugleich hat die Justizministerkonferenz im letzten Herbst beschlossen, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die Vorschläge für eine Zusammenlegung der Fachgerichtsbarkeiten erarbeiten soll. Über diese Vorschläge wird die Justizministerkonferenz im Juni dieses Jahres beraten. Möglicherweise wird es alsbald zu einer Neuorganisation der Fachgerichtsbarkeiten, vornehmlich der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit kommen. Damit wird auch die Frage der Gerichtsstandorte der zusammengeführten Gerichte zu erörtern sein. Im letzten Jahr war bereits erörtert worden, die 8 Sozialgerichte im Land auf 4 Gerichte nach dem Vorbild der Organisation der Verwaltungsgerichte (je Regierungspräsidium 1 Gericht) zu reduzieren. Über die Gerichtsstandorte wäre dann zu entscheiden, auch über den Sitz des dann vereinigten öffentlich-rechtlichen Obergericht, wobei es gute Gründe gibt, sich insoweit für Mannheim zu entscheiden.

6. Rückblick

Auch im vergangenen Jahr fanden zahlreiche Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs das Interesse der Öffentlichkeit und stießen auf Resonanz in den Medien. Die in über 50 Pressemitteilungen bekannt gegebenen Entscheidungen zeigten erneut die breite Palette verwaltungsgerichtlicher Zuständigkeit.

Länderübergreifende Bedeutung hatten zum wiederholten Male zwei Entscheidungen des 8. Senats zur Rechtmäßigkeit der Flugbeschränkungen für An- und Abflüge zu und von dem Flughafen Zürich durch den deutschen Luftraum: Mit Urteilen vom 24.1.2003 hat der Senat die Klagen der Swiss und der Unique Flughafen Zürich AG abgewiesen, mit denen sich diese gegen Beschränkungen der Benutzung des deutschen Luftraums zur Nachtzeit, am Wochenende und an Feiertagen sowie gegen die Festlegung bestimmter Mindestflughöhen wehrten (vgl. Pressemitteilung Nr. 3 vom 24.1.2003). Gegen diese Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschlüssen vom 4.1.2004 die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Mit Beschlüssen vom 31.7.2003 hat der Senat auch die Anträge der Swiss und der Unique auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die am 17.4.2003 in Kraft getretenen weiteren Beschränkungen des Luftfahrt-Bundesamtes (Anhebung der Mindestflughöhen, Ausdehnung der Sperrzeiten an Werktagen auf 21.00 Uhr bis 7.00 Uhr, Beschränkungen für die Abflugverfahren und Übertragung der Zuständigkeit über Ausnahmen von den Anflugbeschränkungen bei bestimmten Wetterbedingungen auf eine Dienststelle der deutschen Flugsicherung) abgelehnt (vgl. Pressemitteilung Nr. 34/2003 vom 1.8.2003).

In zwei weiteren luftverkehrsrechtlichen Entscheidungen hat der 8. Senat die Rechtmäßigkeit der für die Durchsuchung von Fluggästen am Flughafen Stuttgart von den Klägern (Deutsche Lufthansa und LTU) erhobenen Gebühren („Luftsicherheitsgebühr I“) bestätigt und die Gebührenerhebung für die bewaffnete Bewachung der Kontrollstellen und der Bestreifung der Sicherheitsbereiche („Luftsicherheitsgebühr II") für rechtswidrig erklärt. Über die hiergegen von den Klägern und der Bundesrepublik eingelegten Revisionen (3 C 24.03 und 3 C 23.03) hat das Bundesverwaltungsgericht bislang nicht entschieden.

Breites öffentliches Interesse fanden auch zwei Entscheidungen des 1. Senats: Mit Urteil vom 21.7.2003 wurde die Anordnung des Polizeipräsidiums Mannheim zur Videoüberwachung des Paradeplatzes in Mannheim für rechtmäßig erklärt (Pressemitteilung Nr. 28 vom 21.7.2003); die hiergegen vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 11.11.2003 verworfen. Mit Urteil vom 12.12.2003 hat der Senat die in der Vorinstanz vom Verwaltungsgericht Stuttgart vertretenen Auffassung, wonach dem Verein „Scientology Gemeinde Baden-Württemberg e.V.“ nicht die Rechtsfähigkeit entzogen werden könne, weil sie keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verfolge, bestätigt und die Berufung des Landes gegen dieses Urteil zurückgewiesen (Pressemitteilung Nr. 47/2003 vom 12.12.2003). Gegen diese Entscheidung kann noch bis zum 8.3.2004 Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden.

Starkes regionales Interesse fand die Entscheidung des 3. Senats, mit der die Normenkontrollanträge von Anwohnern aus den Mannheimer Stadtteilen Neuhermsheim, Bösfeld und Mühlfeld, den Bebauungsplan „Sportpark Bösfeld-Arena“ für nichtig zu erklären, abgewiesen wurden (Pressemitteilung Nr. 49/2003 vom 15.12.2003). Die Rechtsmittelfrist gegen diese Entscheidung ist ebenfalls noch offen, die Antragsteller haben jedoch gegenüber der Presse erklärt, keine Rechtsmittel einlegen zu wollen.

Rechtskräftig geworden ist hingegen die Entscheidung des 5. Senats, mit der dieser die planungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung von drei Windkraftanlagen auf der Hochfläche Hoheneck zwischen Oberwihl und Hottingen verneint und die Berufung gegen ein gleichlautendes Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg zurückgewiesen hatte (Pressemitteilung Nr. 17/2003 vom 20.5.2003).

Gegen das die Rechtmäßigkeit der Reform der gymnasialen Oberstufe in Baden-Württemberg bestätigende Normenkontrollurteil des 9. Senats (Pressemitteilung Nr. 26/2003 vom 17.7.2003) wurden ebenfalls keine Rechtsmittel eingelegt.

7. Anhängige Verfahren von öffentlichem Interesse

1. Senat

In dem in der letzten Jahrespressekonferenz genannten Berufungsverfahren 1 S 2261/02 streiten sich die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit des Anschluss- und Benutzungszwangs an die Fernwärmeversorgung. Die Kläger begehren die Feststellung, dass sie zum Bau und Betrieb einer Ölheizung auf ihrem Wohngrundstück berechtigt sind. Die beklagte Stadt ist der Auffassung, die Kläger seien auf der Grundlage der gemeindlichen Satzung über die öffentliche Fernwärmeversorgung in dem betreffenden Bebauungsplangebiet zum Anschluss an die öffentliche Fernwärmeversorgung verpflichtet. Nach § 11 Abs. 2 der Gemeindeordnung kann die Gemeinde durch Satzung für die Grundstücke ihres Gebiets den Anschluss an eine Fernwärmeversorgung und deren Benutzung vorschreiben, wenn ein öffentliches Bedürfnis besteht. Dies hat das Verwaltungsgericht Stuttgart verneint und festgestellt, dass die Kläger auf ihrem Wohngrundstück eine Ölheizung bauen und betreiben dürfen. Der Senat hat gegen dieses Urteil die Berufung wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassen.

Termin zur mündlichen Verhandlung ist bestimmt auf Donnerstag, den 18.3.2004, 10.00 Uhr.

Im Verfahren 1 S 2218/03 begehrt der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer vom Bundesgrenzschutz verfügten Ausreiseuntersagung. Dem Kläger wurde im Juli 2001 am Grenzübergang Weil am Rhein die Ausreise aus dem Bundesgebiet zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 in Genua mit der Begründung untersagt, ihm sei 1996 im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer Demonstration Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) zur Last gelegt worden. Der Kläger macht geltend, die Angaben, auf die sich das Grenzschutzamt gestützt habe, seien falsch, außerdem habe bezüglich der gespeicherten Daten ein Verwertungsverbot bestanden. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat festgestellt, dass die Ausreiseuntersagung rechtswidrig war. Der VGH hat gegen dieses Urteil die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen.

3. Senat

Im Berufungsverfahren 3 S 1124/03 wenden sich sechs Nachbarn gegen die von der Stadt Freiburg erteilte Baugenehmigung zum Ausbau des „Dreisamstadions“ in Freiburg. Mit dieser Baugenehmigung wurde die letzte Stufe des Stadionausbaus auf das aktuelle Fassungsvermögen von 25.000 Zuschauern genehmigt. Das Verwaltungsgericht Freiburg hatte mit Urteil vom 13.3.2003 die Klagen abgewiesen und die Berufung zugelassen. Es ging davon aus, dass die Einwirkungen der Geräusche aus dem Stadion und von den zu- und abwandernden Zuschauern auf die benachbarten Grundstücke nach den Maßstäben der Sportanlagenlärmschutzverordnung für die Kläger nicht unzumutbar seien.

4. Senat

In acht Berufungsverfahren (4 S 2457/03 bis 4 S 2464/03) wenden sich Beamte im Einsatzdienst der Berufsfeuerwehr der Stadt Freiburg gegen die Festsetzung ihrer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit (einschließlich Bereitschaftsdienst) auf mehr als 48 Stunden. Das Verwaltungsgericht Freiburg hatte mit Urteilen vom 25.9.2003 entschieden, dass die Regelung der Arbeitszeit für Beamte im Einsatzdienst der Berufsfeuerwehr kein Katastrophenschutzdienst sei und deshalb der Richtlinie 93/104/EG vom 23.11.1993 unterfalle, welche die Festsetzung einer durchschnittlichen Arbeitszeit von mehr als 48 Stunden untersage. Zwar sei der Einsatz von Feuerwehrleuten den Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten dann zuzurechnen, wenn sie in außergewöhnlichen Situationen wie Erdbeben, Naturunglücken oder technologischen Katastrophen eingesetzt würden. Der Feuerwehr kämen jedoch neben dem Einsatz bei Großbränden zahlreiche weitere Aufgaben, insbesondere bei der Brandverhütung, der technischen Hilfe bei (Verkehrs-) Unfällen, der Bergung von Verletzten und der Rettung von Menschen und Tieren aus lebensbedrohlichen Lagen, zu. Da der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 9.9.2003 entschieden habe, dass Bereitschaftsdienst, der in Form persönlicher Anwesenheit geleistet wird, in vollem Umfang Arbeitszeit sei, verstoße die Festsetzung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf mehr als 48 Stunden gegen Europarecht. Wann Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt werden kann, ist derzeit noch nicht absehbar.

Ohne mündliche Verhandlung wird der Senat jedoch in den nächsten Wochen über die Frage entscheiden, ob die Beteiligungsrechte der Frauenbeauftragten nach dem Landesgleichberechtigungsgesetz gerichtlich durchsetzbar sind. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hatte diese Frage in einem Verfahren verneint und die Klage einer bei der Universitätsklinik Tübingen beschäftigten Frauenbeauftragten, mit der diese die mit ihrer Funktion verbundenen Informations- und Beteiligungsrechte, insbesondere ihr Recht auf Teilnahme an regelmäßig stattfindenden Dienstleitungsbesprechungen, gerichtlich durchsetzen wollte, mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Der Senat hat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen.

5. Senat

Im Verfahren 5 S 1706/03 wendet sich die Stadt Achern gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Freiburg für den sechsspurigen Ausbau der A 5 zwischen Bühl und Achern. Sie will mit ihrer Klage einen zusätzlichen Lärmschutz für einen Ortsteil erreichen.

Im Verfahren 5 S 2724/03 wenden sich die Gemeinde Friolzheim und mehrere Landwirte gegen den sechsspurigen Ausbau der A 8 Karlsruhe/Stuttgart zwischen Wurmberg und Heimsheim. Sie wenden sich insbesondere gegen die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen.

In (bislang) neun beim 5. Senat anhängigen Berufungszulassungsanträgen wenden sich Anwohner und Grundstückseigentümer gegen die Planfeststellung des Regierungspräsidiums Karlsruhe für den geplanten Neubau der K 4229 zwischen Weinheim und der hessischen Landesgrenze. Sie begehren die Zulassung der Berufungen gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts Karlsruhe, mit denen dieses die Klagen abgewiesen und insbesondere festgestellt hatte, dass das Regierungspräsidium sich ohne Rechtsfehler gegen die von den Klägern anstelle der geplanten Trasse entlang der Bahnlinie favorisierte Ortsumgehung Hemsbach entschieden habe.

Termine zur mündlichen Verhandlung in diesen Verfahren sind derzeit noch nicht absehbar.

8. Senat

Von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung (Streitwert ca. 27 Mio. EUR und 567.000,-- EUR) sind die beim 8. Senat anhängigen Verfahren, mit denen von der Betreiberin des Kernkraftwerks Philippsburg (8 S 314/03) und eines Unternehmens der Papierindustrie (8 S 995/03) die Ermäßigung des Wasserentnahmeentgelts („Wasserpfennig“) begehrt wird. Beide Unternehmen hatten die Ermäßigung des Wasserentgelts (für die Entnahme von Wasser aus dem Rhein für die Kühlung der beiden Kraftwerksblöcke des KKW Philippsburg, bzw. für die Entnahme von Oberflächenwasser am Altrheinhafen Mannheim und von Grundwasser auf dem Werksgelände der Klägerin zu Kühl- und Fabrikationszwecken) beantragt. Diese Anträge wurden vom Landratsamt Karlsruhe bzw. der Stadt Mannheim abgelehnt. Voraussetzung für die Ermäßigung des Wasserentnahmeentgelts ist erstens eine wasserintensive Produktion und zweitens eine erhebliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit, wenn das volle Wasserentnahmeentgelt gezahlt werden müsste. Nur die zweite Voraussetzung ist in beiden Verfahren streitig. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat die Klagen abgewiesen und die Berufungen zugelassen.

9. Senat

Im bereits in der letzten Jahrespressekonferenz genannten Normenkontrollverfahren 9 S 1751/02 wenden sich insgesamt 180 Radiologen gegen die Änderung der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer vom 13.3.2002 und die Änderung der Weiterbildungsrichtlinien vom 1.12.2001. Die angegriffenen Normen eröffnen Orthopäden erstmals die Möglichkeit bestimmte Untersuchungen an Patienten (Röntgendiagnostik und Magnetresonanztomographie) durchzuführen, die bisher Radiologen vorbehalten waren.

Diese sehen sich dadurch in ihrer ärztlichen Berufsfreiheit beschränkt und in ihrer Existenz gefährdet.

Termin zur mündlichen Verhandlung ist bestimmt auf Dienstag, den 27.4.2004, 10.00 Uhr.

Im Berufungsverfahren 9 S 2169/03 begehrt der Kläger, ein brasilianischer Staatsangehöriger, die Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs. Der Kläger studierte in Brasilien Medizin, hielt sich von November 1996 bis Oktober 1998 mit Erlaubnis der zuständigen Behörde zur Teilnahme an einem Forschungsprojekt an einer Klinik für Tumorbiologie in Deutschland auf und kehrte danach in sein Heimatland zurück. Seit seiner erneuten Einreise im Mai 2001 lebt er mit einem deutschen Staatsangehörigen zusammen, mit dem er eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz begründete. Mit seiner Klage begehrt er die Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs, losgelöst von der Tätigkeit an einer bestimmten Klinik. Diese Erlaubnis hatte das Regierungspräsidium Stuttgart mit Bescheid vom Oktober 2002 mit der Begründung versagt, es bestehe kein Ärztenotstand, der die Erteilung der Erlaubnis rechtfertige. Nach der Bundesärzteordnung könne eine Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs zwar auch ausländischen Ärzten erteilt werden, die mit einem Deutschen verheiratet sind. Eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft werde von dieser Ausnahmeregelung jedoch nicht erfasst. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat die ablehnende Entscheidung des Regierungspräsidiums aufgehoben und das beklagte Land verpflichtet, über den Antrag des Klägers erneut zu entscheiden. Über die vom Senat zugelassene Berufung wird der Senat voraussichtlich in diesem Jahr entscheiden.

10. Senat

Weiterhin anhängig sind die in der letztjährigen Jahrespressekonferenz genannten Anfechtungsklagen von Anwohnern gegen die vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg am 26.10.1998 erteilte Genehmigung eines Nasslagers für Brennelemente im Kernkraftwerk Obrigheim (10 S 3098/98) und die Klagen von Anwohnern des Kernkraftwerks Obrigheim auf behördliche Einstellung des Kraftwerkbetriebs (10 S 408/01). Im letztgenannten Verfahren haben die Kläger ein neues Gutachten zur Erdbebensicherheit vorgelegt und begehren die Einbeziehung einer Studie der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit zur Sicherheit von Atomkraftwerken bei Terror-Attacken. Mit einem Termin zur mündlichen Verhandlung kann daher frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2004 gerechnet werden.

Dies gilt auch für das weiterhin beim Senat anhängige Klageverfahren eines Anwohners gegen die Genehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen im Interimslager der Gemeinschaftskraftwerk Neckar GmbH in Neckarwestheim (10 S 1291/01).

Das Verfahren gegen die Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen im Interimslager des Kernkraftwerks Philippsburg (10 S 2219/01) wurde durch Rücknahme der Klage im Januar 2003 erledigt.

Aus dem Bereich der beim 10. Senat derzeit anhängigen immissionsschutzrechtlichen Verfahren ist insbesondere die Klage von Anwohnern gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung eines Biomasseheizkraftwerks in Pforzheim (10 S 971/03) zu erwähnen.

Die Normenkontrollanträge der Industrie- und Handelskammer der Region Stuttgart und verschiedener Unternehmen gegen die Abfallwirtschaftssatzung des Landkreises Böblingen (10 S 15/03), mit der sich die Antragsteller insbesondere gegen die Verpflichtung zur Überlassung von gemischten gewerblichen Abfällen an den Landkreis als öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und die Pflicht zum Vorhalten eines Abfallbehälters („Pflichttonne“) wenden, werden vom Senat heute verhandelt. Eine Verkündung der Entscheidung im Anschluss an die Verhandlung ist nicht beabsichtigt. Der VGH wird jedoch nach der Bekanntgabe der Entscheidung an die Beteiligten eine Pressemitteilung herausgeben.



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