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Sperrgebietsverordnung in Friedrichshafen unwirksam

Datum: 18.04.2016

Kurzbeschreibung: Die Verordnung des Regierungspräsidiums Tübingen über das Verbot der Prostitution auf dem Gebiet der Stadt Friedrichshafen ist unwirksam. Das hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit den Beteiligten in der letzten Woche zugestelltem Urteil vom 23. März 2016 entschieden und damit einem Normenkontrollantrag von vier Prostituierten (Antragstellerinnen) stattgegeben, die in von ihnen angemieteten Appartements in einem Wohn- und Geschäftshaus im Zentrum von Friedrichshafen der Wohnungsprostitution nachgehen.

Das Regierungspräsidium erließ am 11. April 2013 auf Antrag der Stadt Friedrichshafen eine neue Sperrgebietsverordnung. Mit dieser wurde, anders als nach der bisherigen Sperrbezirksverordnung, im gesamten Stadtgebiet die Prostitution grundsätzlich verboten. Eine Ausnahme gilt für bestimmte Gewerbegebiete, die als sogenannte Toleranzzonen ausgewiesen sind. Die baurechtlich genehmigten Bordelle genießen Bestandsschutz. Mit dem Erlass der Verordnung reagierte das Regierungspräsidium auf ein - vor allem wegen der geografischen Lage und der Funktion der Stadt als Messestandort - stetig wachsendes Interesse an der Ansiedlung von Prostitutionsbetrieben in Friedrichshafen. Die Verordnung verfolgt das Ziel, einer Überfrachtung der Stadt mit solchen Betrieben entgegenzutreten und deren Ansiedlung in dafür geeignete Gebiete zu lenken.

Der 1. Senat des VGH hat die Sperrgebietsverordnung in seinem Urteil für unwirksam erklärt. Die Zielsetzung des Regierungspräsidiums sei allerdings nicht zu beanstanden. Dessen Erwägungen ließen den erforderlichen Bezug auf die Zweckbestimmung der Ermächtigungsgrundlage (Art. 297 EGStGB), den Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands erkennen. Das Regierungspräsidium habe nicht verkannt, dass es um die Abwehr von Gefahren der nach außen in Erscheinung tretenden Prostitution gehe. Es habe sich beanstandungsfrei auf Erfahrungssätze gestützt, wonach insbesondere die Bordellprostitution mit negativen Begleiterscheinungen - auch einer „milieubedingten Unruhe“ - verbunden sei.

Die Sperrgebietsverordnung für Friedrichshafen diene grundsätzlich auch dieser Zielsetzung. Die Ausweisung des Hafenviertels - in dem sich die von den Antragstellerinnen angemieteten Appartements befinden - als Sperrgebiet sei ebenso wenig zu beanstanden wie die Nichtausweisung der Gewerbegebiete „Rohrbach“, „Allmannsweiler“ und „Aistegstraße“ als Toleranzzonen. Dass dort bei einer prostitutiven Nutzung eine belästigende Außenwirkung, die mit der Verordnung abgewehrt werden solle, zu befürchten sei, habe das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei mit der besonderen Schutzbedürftigkeit und Sensibilität der Gebiete begründet. Allerdings sei die Ausweisung der Gewerbegebiete „Adelheid-/Dietostraße“ und „Kitzenwiese“ als Toleranzzonen nach der Konzeption des Verordnungsgebers sachlich nicht vertretbar, weil das Regierungspräsidium die in vergleichbarer Weise gegebene Schutzbedürftigkeit dieser Gebiete nicht hinreichend berücksichtigt habe. Im Gewerbegebiet „Adelheid-/Dietostraße“ befinde sich ein Wohnheim der Bernd-Blindow-Schulen; zudem grenze das Gebiet im südwestlichen Bereich unmittelbar an ein Mischgebiet an, das nicht unerheblich durch Wohnbebauung geprägt sei. Das Gewerbegebiet „Kitzenwiese“ wiederum beherberge mehrere Diskothekenbetriebe, von denen im maßgeblichen Zeitpunkt der Bekanntmachung der Verordnung jedenfalls einer auch von jugendlichem Publikum besucht worden sei. 

Bei der Ausweisung der übrigen Toleranzzonen habe das Regierungspräsidium die räumliche Ausdehnung des Sperrgebiets fehlerhaft festgelegt. Hinsichtlich des Gewerbegebiets „Gewerbepark Flughafen“ füge sich die Verordnung bereits nicht in die baurechtliche Situation ein, wonach für diesen Bereich eine Mindestgröße für Gewerbegrundstücke von 1.500 m² beziehungsweise 5.000 m² vorgesehen sei. Das Gebiet stehe daher für Prostitutionsbetriebe weitestgehend nicht zur Verfügung. Im Übrigen liege ein Verstoß gegen das Kasernierungsverbot des Art. 297 Abs. 3 EGStGB vor, das Wohnungsbeschränkungen auf bestimmte Straßen und Häuserblocks zum Zwecke der Ausübung der Prostitution verbiete. Denn im Zeitpunkt der Bekanntmachung der Verordnung sei aus tatsächlichen Gründen mit einer Konzentration der Prostitution auf nur wenige Straßenzüge zu rechnen gewesen. Die als Toleranzzonen ausgewiesenen Gewerbegebiete „Industriegebiet“, „Bunkhofen“, „ZF Werk 1“, „Parkplatz“, „Entmagnetisierungsanlage“ und „Seewiesen“ würden durchwegs von - vorwiegend größeren - ortsansässigen Gewerbebetrieben genutzt, die auf absehbare Zeit an einer Grundstücksveräußerung oder -vermietung in kleinerem Umfang offensichtlich nicht interessiert seien. Auch das Gewerbegebiet „Marktkauf-Bauhof“ könne die aus anderen Bereichen verdrängte Prostitution nicht aufnehmen. Soweit sich dort im Eigentum der Stadt stehende Flächen befänden, stünden diese aufgrund ihrer Bindung für andere Zwecke für die Ansiedlung von Bordellen oder die Ausübung von Wohnungsprostitution von vornherein nicht zur Verfügung.   

Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (1 S 410/14).

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