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Friedhofssatzung der Landeshauptstadt Stuttgart: Verbot von Grabsteinen aus Kinderarbeit unwirksam

Datum: 09.06.2015

Kurzbeschreibung: Die Vorschrift in der Friedhofssatzung der Landeshauptstadt Stuttgart (Antragsgegnerin), nach der nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind, und der Nachweis hierfür mittels Zertifikat einer anerkannten Organisation erbracht wird, ist rechtswidrig und daher unwirksam. Dies hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) in vier Normenkontrollverfahren auf Anträge von insgesamt neun Steinmetzbetrieben (Antragsteller) aus dem Raum Stuttgart mit Beschlüssen ohne mündliche Verhandlung am 21. Mai 2015, die den Beteiligten in dieser Woche zugestellt worden sind, entschieden.

Der VGH bestätigt damit sein Urteil vom 29. April 2014, mit dem er eine vergleichbare Vorschrift in der Friedhofssatzung der Stadt Kehl für unwirksam erklärt hatte (vgl. Pressemitteilung des VGH vom 8. Mai 2014). In diesem Urteil hatte der VGH ausgeführt, das Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit belaste Steinmetze unzumutbar. Es sei für sie nicht hinreichend erkennbar, welche Nachweismöglichkeiten als ausreichend gälten. Es fehle eine allgemeine Auffassung, welche der vorhandenen Zertifikate für faire Steine als vertrauenswürdig gelten könnten. Eine Anerkennung solcher Zertifikate durch eine zuständige staatliche Stelle gebe es nicht. Die Satzung regele auch nicht ausdrücklich unter Benennung der Zertifikate, welche als Nachweis ausreichten. Da die Vorschrift bereits aus diesen Gründen unwirksam sei, bleibe offen, ob ihre gesetzliche Ermächtigung im Bestattungsgesetz verfassungsgemäß sei.

Im Anschluss daran legt der VGH in seinen Beschlüssen vom 21. Mai 2015 zur Stuttgarter Friedhofssatzung dar, ausreichende Nachweismöglichkeiten bestünden weiterhin nicht. Insbesondere sei eine hinreichend gesicherte Verkehrsauffassung, welche Zertifikate über Grabsteine, die ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind, als vertrauenswürdig gelten können, derzeit nicht festzustellen. Dem Vorbringen der Antragsgegnerin, es gebe eine allgemeine Verkehrsauffassung, dass die Siegel der Organisationen "XeritifiX" und "fair stone" vertrauenswürdig seien, könne nicht gefolgt werden. Das Fehlen einer allgemeinen Verkehrsauffassung zeige sich bereits in den unterschiedlichen Regelungen baden-württembergischer Gemeinden in ihren Friedhofssatzungen. Auch die bekannte Verbraucherzeitschrift Ökotest habe im Mai 2014 festgestellt, die Meinungen darüber, was nachprüfbare Dokumente für ohne Kinderarbeit hergestellte Natursteine seien, gingen auseinander. Eine Anhörung von Sachverständigen im Landtag von Nordrhein-Westfalen habe ebenfalls ergeben, dass die Aussagekraft bestehender Siegel ungeklärt sei.

Die Beschlüsse des VGH (Az.: 1 S 383/14, 1 S 403/14, 1 S 491/14, 1 S 556/14) sind noch nicht rechtskräftig. Der VGH hat die Revision nicht zugelassen. Diese Entscheidung kann binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils durch Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

 

Hinweis:

§ 15 Absatz 3 Bestattungsgesetz wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Bestattungsgesetzes vom 26. Juni 2012 (Gesetzblatt S. 437) angefügt. Die Vorschrift lautet:

„In Friedhofsordnungen und Polizeiverordnungen kann festgelegt werden, dass nur Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden dürfen, die nachweislich aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der Konvention 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hergestellt sind. Die Anforderungen an den Nachweis nach Satz 1 sind in den Friedhofsordnungen und Polizeiverordnungen festzulegen.“

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